Ausgehend von den folgennden fünf Grundkonstanten der Philosopie des "Krtischen Rationalismus" lässt sich der Selbstreparaturmechanismus der Demokratie entkennen. Er richtet sich gegen jede Art des politischen Dogmatismus. Er geht davon aus, dass es einen Wahrheit gibt, die man jedoch niemals gesichert erkennen kann. Jedoch können wir uns der Wahrheit annähern, in dem man bestehende Annahmen, Hypothesen, Theorien und Beschreibungen mittels dem Prinzip der Falisfikation prüft. 

  1. Fehlbarkeit und Kritikfähigkeit (Falsifizierbarkeit): Popper zentrales wissenschaftliche Prinzip der Falsifizierbarkeit wird auf die Politik und Medien übertragen. So wie wissenschaftliche Theorien nie endgültig bewiesen, sondern nur widerlegt (falsifiziert) werden können, sind auch politische Entscheidungen und Regierungen fehlbar. Die Demokratie ist der einzige Rahmen, der die systematische Infragestellung und Kritik von Politik zulässt, ohne die Kritiker zu unterdrücken. Die Haltung ist: "Ich kann mich irren, du kannst recht haben, und gemeinsam können wir uns vielleicht der Wahrheit nähern".
  2. Institutionelle Fehlerkorrektur: Der zentrale "Selbstreparaturmechanismus" der Demokratie ist die Möglichkeit, eine Regierung, die sich als schlecht (fehlerhaft) erwiesen hat, ohne Blutvergießen und Gewalt durch Wahlen abzulösen. In Poppers berühmter Formulierung geht es nicht darum, die "beste" Regierung zu wählen, sondern darum, die "schlechteste" auf friedlichem Wege wieder loswerden zu können.
  3. Stückwerk-Sozialtechnik (Piecemeal Social Engineering): Anstelle von utopischen, totalen Gesellschaftsentwürfen ("Holismus/Ganzheitlichkeit/Ideologie"), die Popper als gefährlich ansah, plädierte er für schrittweise, konkrete Reformen. Diese kleinen Anpassungen ermöglichen es, soziale Probleme gezielt anzugehen und die Auswirkungen der Änderungen zu beobachten. Fehler können so schnell erkannt und korrigiert werden, ohne das gesamte System zu gefährden. Dies steht im Gegensatz zu dogmatischen Ideologien, die keine Kritik zulassen.
  4. Die Rolle der Offenen Gesellschaft: Ursprünglich hat Popper in den beiden Bänden der "Offenen Gesellschaft" mit Plato, Hegel und Marx als Förderer einer geschlossenen Gesellschaft abgerechnet. Es war Poppers Warnung von den Totalitären Versuchungen seiner Zeit. An dieser Stelle wird die "Offenen Gesellschaft" so verstanden: Die "Offene Gesellschaft" ist die Umgebung, in der dieser Mechanismus funktioniert. Sie schützt die individuelle Freiheit, die Meinungsfreiheit und die Existenz vielfältiger Institutionen, die die Macht der Regierung kontrollieren und begrenzen (z. B. eine freie Presse, unabhängige Gerichte). Diese Institutionen sind essenziell, um Fehler aufzudecken und den Selbstreparaturprozess in Gang zu setzen.
  5. Keine Immunisierung vor Kritik: Theorien und Meinungen dürfen nicht vor Kritik immunisiert werden. Wer sich vor Kritik schützen will, der scheint es nötig zu haben und zweifelt möglicherweise an seinen Theorien. Er will für seine Theorien und Meinungen eine Besserstellung, die für die Meinungskonkurrenz nicht gelten soll. Die  Sorge vor der Strategie einer Immunisierung vor Kritik stammt von Hans Albert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Poppers Demokratieansatz als ein dynamischer, lernender Ansatz konzipiert ist. Der Selbstreparaturmechanismus besteht aus der systematischen Anwendung kritischer Rationalität auf politische und soziale Probleme, ermöglicht durch Institutionen, die den friedlichen Machtwechsel und die schrittweise Fehlerbeseitigung gewährleisten. Der folgende Videofilm mit dem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Schüssel verdeutlich Poppers Ansatz, insbesondere auch dann, wenn man nicht mit dem ehemaligen Bundeskanzper übereinstimmt. Das Video stammt von der KAS aus dem Jahr 2020. Aber auch dieses Video über Popper muss geprüft und falsifiziert werden. Es handelt sich um das erste Jahr der Corona-Pandemie, welches eine Herausforderung für den Selbstreparaturmechanismus der Demokratie darstellt. 

 

Wenn Kritik zur Gefahr erklärt wird: 

Nach Popper beginnt der Verlust demokratischer Rationalität dort, wo Entscheidungen nicht mehr kritisierbar, bzw. falsifizierbar sind. Nicht der medizinische Ausnahmezustand ist die Herausforderung, sondern die Immunisierung politischer Entscheidungen gegen Widerspruch. In der Pandemie wurde nicht der Fehler begangen, unter Unsicherheit zu handeln, das musste sein und Fehlentscheidungen sind immer möglich – der Fehler bestand darin, Unsicherheit nur noch eingeschränkt diskutieren zu können. Schulschließungen, Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, Öffentlicher Druck und weitere Grundrechtsbeschränkungen wurden nicht genug auf schädliche Nebenwirkungen geprüft. 

Demokratie stirbt nicht durch den (medizinischen) Ausnahmezustand. Sie erodiert, wenn sie gegen Kritik immun ist, wenn politische Entscheidungen kaum korrigierbar sind.

Zur Erinnerung: 

pandemie

BT-Drs. 19/28444 – Entwurf/Begründung zur Bundesnotbremse inklusive konkreter epidemiologischer Schwellenwerte (z. B. 7-Tage-Inzidenz) zur Aktivierung bestimmter Maßnahmen: 

  • Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG): Ausgangsbeschränkungen, Kontaktbeschränkungen, Schulpflicht, teilweise nächtliche Sperrzeiten („Bundesnotbremse“)
  • Freizügigkeit (Artikel 11 GG): Regional unterschiedliche Reise- und Besuchsverbote, Grenz- und Einreisebeschränkungen zu Zeiten hoher Inzidenzen.
  • Versammlungsfreiheit (Artikel 8 GG): Großkundgebungsverbote, Maßnahmen gegen Versammlungen über bestimmter Personenzahl, Sondergenehmigungspflichten.
  • Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 GG): Durchsuchungen oder Kontrollen zum Zwecke der Infektionskontrolle, insbesondere bei Quarantäne- bzw. Isolationanordnungen.
  • Allgemeine Handlungsfreiheit (Artikel 2 Abs. 1 GG): Schließungen von Geschäften, Gastronomie, kulturellen Einrichtungen; 2G/3G-Zugangsregeln im öffentlichen Leben (Einzelhandel, Veranstaltungen).
  • Berufsfreiheit (Artikel 12 GG): Schließungen und Zugangsregelungen führten zu faktischen Einschränkungen beruflicher Ausübung (z. B. Selbständige im Veranstaltungs-/Gastronomie-Bereich, Kulturschaffende).
  • Religions- und Weltanschauungsfreiheit (Artikel 4 GG): Beschränkungen oder zeitweise Verbote von Gottesdiensten und religiösen Versammlungen, analog zur Versammlungsfreiheit.