Exkursion nach Erfurt und Berlin:

„Wie viel Streit verträgt die Republik?“

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Streit gilt in Demokratietheorien als konstitutiv: Ohne Dissens keine Deliberation, ohne Kontroverse keine politische Entscheidung. Gleichzeitig kann Streit auch destabilisierende Effekte haben, Menschen fühlen sich von streitender Politik nicht angesprochen. Manchmal dienen unberechtigte Streitvorwürfe auch dazu den politischen Gegner zu diskreditieren: Dann werden ihm Polarisierung, gesellschaftliche Spaltung und "Delegitimation von Institutionen" vorgeworfen (doch solcherlei Vorwürfe sind nie ungeprüft zu übernehmen - zu viele Interessen stecken hinter solchen Vorwürfen.).

Die Exkursion nach Erfurt und Berlin Ende Oktober/Anfang November 2024 ging deshalb der Frage nach, wie Streit in der Bundesrepublik ausgetragen wird, wo seine produktiven Grenzen liegen und wann er zur Belastung für Demokratie und Gesellschaft wird. 24 Studierende waren dabei, ich habe das Programm organisiert, die Fachschaft organisierte die Übernachtungen und die Bahnfahren. Alles über das Programm finden sind im folgenden Beitrag. 

Ein Besuch in Bonn und im Adenauer-Haus

page12Vor kurzem war ich wieder einmal in Bonn und besuchte u.a. das Adenauer-Haus. Es ist ein eigenartiges Gefühl, das mich immer häufiger überkommt, wenn ich in die alte Bundeshauptstadt zurückkehre. Bonn steht für mich bis heute nicht nur für einen Ort, sondern für eine ganze Epoche – die Bonner Republik. Eine Zeit, die pragmatische Rationalität (soziale Marktwirtschaft, Westbindung, "Wandel durch Annäherung", Arbeitsmigration, "Souveränitätsgewinn durch Souveränitätsverzicht", Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, "Magnettheorie", RAF-Terrorbekämpfung und NATO-Nachrüstung), außenpolitische Berechenbarkeit, Orientierung am Machbaren und  eigene Interessen in den Mittelpunkt der Politik gestellt hat. Es ging Konrad Adenauer 1953 um die Schlüsselfrage "Freiheit statt Sozialismus". Es war der realexistierende Sozialismus des Ostblocks, der sich zusammen mit der Roten Armee in den Ländern wie Polen, Ungarn, dem Baltikum, Rumänien, Bulgarien, der Tschechoslowakei und der DDR festgesetzt hatte: "Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands. Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit. Wir wählen die Freiheit!" - Regierungserklärung am 3. Dezember 1952 vor dem Bundestag zur Unterzeichnung der Pariser Verträge. 

Meine erste Begegnung mit dieser Stadt liegt viele Jahre zurück. Damals absolvierte ich ein Praktikum im Büro von Wolfgang Börnsen, dem Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis 1. Bonn war noch Regierungssitz. 

Die junge Bonner Republik war geprägt von klaren Leitbegriffen: „Freiheit statt Sozialismus“, Westbindung, soziale Marktwirtschaft. Es ging um das Maßhalten, um Pragmatismus und Rationalität statt moralisch aufgeladener Impulspolitik. Familie und christliche Werte bildeten einen relevanten Bezugspunkt. Aufstieg durch Bildung war in erster Linie eine individuelle Aufgabe (und leider auch abhängig von familiären Wohlstand). Und über allem stand ein tiefes Misstrauen gegenüber den kollektivistischen Versuchungen des Nationalismus wie auch des Sozialismus und Kommunismus. Auch wenn die Zeiten sich geändert haben, so haben viele dieser Grundsätze bis heute Gültigkeit behalten. Sie spiegeln ein Verständnis von Politik wider, das nicht nur durch Haltung und Solidarität lebt, sondern durch rationale Formulierung von eigenen Interessen, ökonomisches Maßhalten, außenpolitische Verlässlichkeit und die Kraft des politischen Ausgleichs. 

Aktuelle Exkursionen: Internationaler Seegerichtshof der Vereinten Nationen und NDR-Info

Exkursion HH kleim

Im Herbstsemester 2019 besuchten 27 Studierende des Seminares für Politikwissenschaft und Politikdidaktik der Europa-Universität Flensburg die Redaktion von NDR-Info sowie den Internationalen Seegerichtshof der Vereinten Nationen. 

Mit den Redakteuren Andreas Flocken und Sabine Rein diskutierten die Studierenden aktuelle Herausforderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, insbesondere des Senders NDR-Info. Die Entwicklung der Hörerzahlen, die Aufgaben und Tätigkeiten der Redakteure, Sprecher und Korrespondenten sowie das Hörerverhalten und Erwartungen der Zuhörer des Senders, wurden diskutiert.

Anschließend fuhren die Studierenden zum Internationalen Seegerichtshof, dessen rechtliche Grundlage das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ; englisch United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS). 21 Richter, die von 168 Vertragsparteien des SRÜ auf neun Jahre gewählt werden, verhandeln über Streitigkeiten, die die Auslegung und Anwendung des Seerechtes betreffen. Das Seerechtsübereinkommen, als ein Beispiel für die Regimetheorie der Internationalen Beziehungen, werden an der Europa-Universität Flensburg im ersten und dritten Semester behandelt. Die Exkursion fand zum richtigen Zeitpunkt für die Politikstudierenden aus dem dritten und fünften Semester statt, um sich (erneut) mit der Breite des Küstenmeeres und seiner Anschlusszone sowie den Regelungen zum Festlandsockel und der ausschließlichen Wirtschaftszone sowie den damit verbundenen politischen Herausforderungen beschäftigen.

London 2019: Wie groß ist das fachdidaktische Potential des Imperial War Museum und Churchill War Rooms für das politische und historische Lernen im Rahmen einer Klassenfahrt?

war museum 2Für die politische und historische Bildung kann man im Rahmen einer Exkursion oder Klassenfahrt nach London einiges tun. Zwei Museen seien an dieser Stelle ausdrücklich empfohlen: Das Imperial War Museum und Churchill War Rooms. Das Imperial War Museum widmet sich den beiden Weltkriegen sowie den Kriegen mit Beteiligung von britischen Soldaten, insbesondere dem Falklandkrieg, dem Afghanistan-Einsatz und dem Krieg im Irak. Jeweils eine eigene Etage nehmen nicht nur der Erste und Zweite Weltkrieg ein, auch die Thematisierung des Holocaust erhält eine eigene Etage und ist damit ein weiterer Schwerpunkt des Museums. Es werden auf sechs Etagen sowohl die Militär- als auch die Kulturgeschichte der Einsätze und Bedingungen britischer Soldaten dargestellt. Das Museum ist kein Technikmuseum (aber selbstverständlich wird Technik gezeigt), es ist auch kein Museum für militärische Nostalgiker, im Gegenteil: Die Ausstellungen stellen aktuelle Fragen an den Besucher und an die Gegenwart, gleichzeitig versucht es weitgehend multiperspektivische Antworten zu geben. Der Erste Weltkrieg, der in den bundesdeutschen Lehrplänen im Vergleich zum Zweiten Weltkrieg eine eher untergeordnete Rolle einnimmt, wird im englischen als „Great War“ bezeichnet und vor Ort ausführlich dargestellt sowie im Rahmen von Kriegsursachenforschung problematisiert. Der Besuch des Museums ist kostenlos.

Exkursion 2018: Politische und historische Orte in der Bundeshauptstadt Berlin

Im Rahmen des Seminares „Planung und Praxis des Politikunterrichtes“ beschäftigen sich 15 WiPo-Studierenden der Europa-Universität Flensburg mit dem Thema „Exkursionen im Politikunterricht“. Exkursionen sind nicht nur eine Möglichkeit Motivation für politische und historische Inhalte bei Schülerinnen und Schülern zu steigern, Exkursionen ermöglichen „forschendes Lernen“ (durch Bearbeitung von Arbeitsaufträgen sowie Dokumentationen), Handlungsorientierung (durch Diskussionen, Fotografien und Videos), Exkursionen lassen die (teilweise rekonstruierte) Authentizität vom Orten spüren, gleichzeitig kann man auf Exkursionen auch der latenten Gefahr der Überwältigung und der fehlenden Kontroversität ausgesetzt werden.

Vom 04. Juni bis zum 07. Juni 2018 besuchten 15 WiPo-Studierende der Europa-Universität Flensburg politische und historische Orte in der Bundeshauptstadt Berlin. Die Flensburger WiPo-Exkursionsgruppe diskutierte über die deutsche Afghanistan/Pakistan-Politik im Auswärtigen Amt, informierte sich über die europäische Verteidigungsinitiative im Bundesministerium der Verteidigung, verfolgte eine Fragestunde im Deutschen Bundestag und diskutierte anschließend mit der örtlichen CDU-Bundestagsabgeordneten, besuchte im Bendlerblock die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, informierte sich über den zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die Judenverfolgung in Spandau, fotografierte die Mauerreste an der East-Side-Gallery, wurde durch das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit geführt und informierte sich über die Krisenreaktion im Bundesinnenministerium. Die sommerwarmen Abende wurden unteranderem in der „Die Berliner Republik“ (Berlin-Mitte) mit einem kühlen Getränk abgeschlossen. Organisiert wurde die Exkursion von der Hermann-Ehlers-Stiftung, in Zusammenarbeit mit den Jugendoffizieren Schleswig-Holstein und dem Seminar für Politikwissenschaft und Politikdidaktik der Europa-Universität Flensburg. Ein besonderer Dank geht an Herrn Dr. Volker Matthée von der HES und an den Jugendoffizier, Hauptmann Danny Greulich. Vielen Dank an alle Organisatoren und an die teilnehmenden WiPo-Studierenden der Europa-Universität Flensburg.